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Willkommen auf dem Hülfensberg

Franziskusfest 2020

Predigt zu Franziskus am 4. Oktober 2020 von Br. René

„Was wir im Auge haben, das prägt uns, da hinein werden wir verwandelt, und wir kommen wohin wir schauen!“ Heinrich Spaemann – ein Dortmunder, der nach dem Tod seiner Frau Priester und Schriftsteller wurde, sagt uns diesen Satz. Was wir im Auge haben, prägt uns. Und wir kommen wohin wir schauen.
Franziskus von Assisi – ein Mensch, der dieses Wort auf radikale, verspielte, kreative und substantielle Weise vor Augen führt.
Er schaut zunächst auf seine Freundinnen und Freunde – und auf seinen Geldbeutel – und auf das, was er kann: Menschen über den Tisch ziehen – oder zumindest so gut verkaufen, dass wohl viele seinen Marktstand mit feinsten Tüchern mit mehr Tuch verlassen, als sie ursprünglich haben wollten. Ein guter Verkäufer – im Auge seines Vaters.
Der Tuchhändlersohn ist erfolgreich – damals war gerade die Zeit des Umbruchs – die Bedeutung des Geldes wuchs und nahm an Bedeutung zu – vielleicht holte es sogar den Adel ein und überholte ihn. Zuvor hatte nur der Besitz, der adlig war – nun konnten wir Menschen kaufen, Besitz kaufen, Häuser, Immobilien.
Franziskus hatte mit betuchten Menschen zu tun – mit vielen Adligen – unter anderem mit Klara, seiner späteren Gefährtin auf dem Weg der evangelischen Armut. Zunächst jedoch hatte Franziskus den Adel im Auge – und sein Auge richtete sich immer nach oben – Assisi liegt am Hang und die Armen wohnen unten – die Reichen in der Mitte, der Adel oben in der Burg, der Rocca. Und er wurde verwandelt in das, worauf er schaute – er wurde Ritter – eine Möglichkeit, vom Bürger in den Adelsstand zu gelangen – und Franziskus wird ein wunderschöner Ritter gewesen sein – gut, er war ziemlich klein – aber er hatte Geld, die Familie kannte sich mit Tuch aus – und bei allem Eisen der Rüstung fand sicherlich noch Samt und Seide an ihm und seinem Pferd dekorativen Platz – vielleicht eine Fahne mit Familienwappen! Ein Höhepunkt im Leben – Trompeten und Posaunen auf der Piazza – die Ritter werden bejubelt und gefeiert und so verabschiedet auf ihren Weg in den Kampf. Der Blick geht schon in die Sterne – voller Stolz und Freude.
In der kommenden Nacht träumt Franziskus und hört die Stimme: Wer kann dir mehr geben – der Herr oder der Knecht? Und Franz antwortet: Na, der Herr! Und die Stimme fragt: Warum folgst du dann dem Knecht? Völlig verstört wacht er auf – der Blick auf den Boden, das Gras, den Stein, den Humus, die Erde – die Rüstung, das Schwert – er will es nicht mehr – und kehrt zurück. Gestern noch bejubelt – heute wird er verspottet, der Feigling und angespuckt. Er sieht die Verachtung und verachtet sich vielleicht selbst.
Der Blick geht auf die Erde – er ist der Erde nahe – auf Latein heißt das humilitas, was wiederum ins deutsche mit Demut übersetzt wird. Er wird geerdet – und wie – nach diesem Schlag der Demütigung gibt es wieder Krieg – nicht als Ritter – und er wird gefangengesetzt – in Kerkerhaft im Mittelalter – das ist sicher nicht schön – er geht fast drauf – doch ein Gutes hat es: Ausgerechnet dort kursiert eine Schrift – ein Evangelium – und darauf richtet sich nun der Blick – auf das Wort des Lebens, das von Rittertum in ganz anderer Weise spricht, deren König und Herrscher am Kreuz landet. Kurz bevor Franz der Kerkerhaft erliegt – kauft der Vater ihn frei – lange Zeit wird er das Bett hüten – und gesunden – sein Blick richtet sich dann auf den ersten Frühling – auf die zarten Blüten und die bunten Schmetterlinge – und er freut sich. In sein dunkles Inneres dringen immer mehr Sonnenstrahlen – die ihn raus aus dem Bett, raus aus dem Haus locken – rein in die Schöpfung, die Natur – in der er dann eine verfallene Kapelle findet – kaputt – bis auf das Kreuz – ein Kreuz, dass seinen Blick fesselt – ein Kreuz, das mit ihm spricht – hier geschieht Verwandlung. Jesus schaut Franziskus an – schon sein ganzes Leben lang – und nun erwidert er den Blick – und sie verbinden sich – Liebe auf den ersten Blick – vielleicht.
Franziskus wendet seinen Blick nicht mehr ab – ich übertreibe vermutlich – oder auch nicht? In allem ist ihm Jesus wichtig – über alles wichtig.
Am Ende seines Lebens richtet sich sein Blick wieder auf den Boden – er denkt: War alles falsch? Habe ich überhaupt irgendetwas richtig gemacht? Worauf habe ich geschaut, worauf vertraut?
Mit der Bruderschaft läuft es nicht rund – die Armut wird immer weiter relativiert – Besitz wird wichtiger, Regeln werden geschrieben und verändert – steht er und die Bewegung, die sein Leben ausgelöst hat, vor dem aus? Er sieht zu Boden – und kann kaum noch sehen – er ist fast blind – zieht sich zurück – mit einem guten Freund der ersten Stunde. Er fleht und weint – in einer Grotte auf einem Berg, dem La Verna.
„Was wir im Auge haben, das prägt uns, da hinein werden wir verwandelt, und wir kommen wohin wir schauen!“
Jetzt wird dieser Satz für ihn Realität: Franziskus kommt aus der Grotte heraus, aus seiner inneren Grotte und aus der Grotte des Berges – und die Wundmale Jesu prägen seine Hände und Füße – und seine Seite. Und er weint, weil er weiß: Niemals kann ich Jesus jetzt noch aus dem Blick verlieren – ich spüre ihn an allen Gliedern! Sein Sterben ist das Zeugnis eines Menschen, der sehenden Auges auf Jesus zugeht – voller Vertrauen nennt er den Tod seinen Bruder und voller Liebe kann er seine Brüder segnen – und er kam dorthin, wohin er schaute.
Als ich den Satz neulich hörte – in einem unserer wöchentlichen Dienstgespräche mit geistlichem Austausch – da sagte Br. Johannes ihn – als ich den Satz hörte, da bin ich auch erschrocken: Wie viele Stunden verbringe ich mit Bildern, in die ich nicht verwandelt werden will!? Ich schaue auf das, was mich ablenkt – von meinem Leben und meinen Leiden. Eine Internetseite, eine weitere Dokumentation über Krieg und Hass, ein Horrorfilm – gerade heute wimmelt es von digitalen Bildern.
Als ich über den Satz weiter nachdachte, da fing ich an, mich zu entspannen – und schaute auf das Kreuz von San Damiano – und habe gedacht: Ich kann mich nicht erlösen – aber ich kann auf den schauen, der mich erlöst hat. Einfach nur schauen. Es verwandelt, wenn wir mit Liebe schauen. Auf den Partner – auf das schlafende Kind – und auf Jesus.
Was haben wir für ein Glück – hier auf dem Hülfensberg – was haben wir für ein Glück, so einen Erlöser zu haben, der uns so gütig anschaut, wie hier auf dem Hülfensberg unser Kreuz! Was war das für ein Mensch, der diesen Jesus geschnitzt hat? Zu Lebzeiten von Franziskus gab es diesen Gehülfen schon. Und wer weiß, wie oft allein sein Blick wie vielen Menschen geholfen hat, verwandelt hat.
„Was wir im Auge haben, das prägt uns, da hinein werden wir verwandelt, und wir kommen wohin wir schauen!“ Franziskus ist schon dort – das glaube ich – und ihr schaut auch die ganze Zeit schon auf den, der uns mit offenen Augen und Armen empfangen wird. Amen.