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Willkommen auf dem Hülfensberg

Pfingstmontag 2019

Apg 2,22 f.32 f.36-39

KG: Gnade sei mit euch und Frieden – von dem, der da ist, der da war und der da kommt! Amen

Liebe Festgemeinde,
„Fortsetzung folgt“ – könnte über dem Abschnitt stehen, der in der kurhessischen Kir-che als „weiterer Text“ für den Pfingstmontag vorgeschlagen wird. „Fortsetzung folgt“ - weil wir den ersten Teil oft gestern schon gehört haben: klassisch zu Pfingsten, jenen Bericht vom mutigen öffentlichen Auftreten der Jüngerinnen und Jünger und dem merkwürdigen, geradezu grenzenlosem Verstehen – sprachgrenzenlos wenigstens. „Fortsetzung folgt“, weil der Predigttext heute an dieses ,Pfingstwunder‘ anschließt: nur ein Ausschnitt aus der ersten langen Pfingstpredigt des Petrus in Jerusalem, die die Zuhörenden damals regelrecht be-geistert hat. Vorhin/eben in der Lesung gehört  - für uns heute klingt’s eigentlich weniger nach einer Predigt als nach einem ,Glaubensbekenntnis‘, kurz, im Twitter-Format‘. Aber Worte, die beim ersten Pfings-ten offenbar zu Herzen gegangen sind: berührend, ansteckend, mutmachend – und ei-gentlich unerwartet.

Denn zunächst hatte ja niemand an „Fortsetzung“ gedacht! Zunächst hat sich alle Be-geisterung sehr in Grenzen gehalten - zunächst hatten sie sich zurück und verborgen gehalten: Beklemmung statt Begeisterung, Enttäuschung und durch-kreuzte Hoffnun-gen; die nackte Angst um die eigene Haut – eng, ganz eng wird es für sie geworden sein, und für Petrus vielleicht am allerengsten. Der schlichte Fischer, der schlechte Freund, ein Feigling, der nicht mit Jesus von Nazareth in Verbindung gebracht werden wollte: „Ich kenne den Menschen nicht!“ Und jetzt kennt er ihn doch – und wie!

Und jetzt kennt er ihn doch: Gottes Sohn, Jesus Christus - und scheut darum weder Tod noch Teufel: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ wird er später öffentlich bekennen können. Und jetzt kennt er ihn doch, be-kennt sich zu ihm und er-kennt sich selbst nicht mehr: erstaunt über eigenen Mut, über Worte, die nur so spru-deln – und verstanden werden!; über eine Begeisterung, die geradezu ansteckend ist – für die Freundinnen und Freunde; für völlig Fremde, die erreicht und bewegt werden. Hinaus aus der Enge – ins Weite; hinaus aus aller Dunkelheit – ans Licht; hinaus aus der Angst – mit Zutrauen, Vertrauen, Zuversicht! Auferstehung praktisch: ein regel-rechtes ‚coming out‘ in ein neues Leben, wo vorher alles Trauer, alles zu Ende war. Aber es war nicht das Ende, sondern  ein Neuanfang, für Petrus selbst, die Geburt von etwas ganz Neuem, Geburtstag der Kirche – was aus ihr wohl noch werden wird? „…so werdet empfangen die Gabe des Heiligen Geistes!“ heißt es zuletzt in Petrus ers-ter Pfingstpredigt. Eine Verheißung bis heute, glaube ich, auch für unsere Kirchen, auch für das weitere Aufwachsen der Kirchen, verschieden, versöhnt, verbunden: Fortsetzung folgt!

Auf gutem gemeinsamen Grund: Jesus von Nazareth, wunder-bar von Gott gesandt, durch Menschen am Kreuz umgebracht, von Gott auferweckt und erhöht: dieser Jesus Christus schenkt uns seinen Geist – so noch einmal die Pfingstpredigt des Petrus, die damals vielen zu Herzen gegangen ist: „Parther und Meder und Elamiter, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber…“  – erzählt Lukas vor unserem Predigttext. Ich ‚springe‘ um fast 2000 Jahre in unsere Breitengrade: Jesus Christus ist ….Gottes kräf-tiger Zuspruch und Anspruch auf unser ganzes Leben; „durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbaren Dienst an seinen Geschöpfen“ –vor fast genau 85 Jahren haben Christen in Barmen gegen den Un-Geist nationalsozialischer Macht so ihren Glauben bekannt: ein Glaubensbekennt-nis, das bis heute in der weltweiten Ökumene nachklingt und Perspektiven eröffnet hat; wiederum ein ‚coming  out‘ mit Folgen - auch für die Bekennenden, für die Kirche selbst. Geist gegen Un-Geist von Christen im Widerstand, in beiden Konfessionen üb-rigens – ja: gegen neue nationalistische Un-Geister dieser Tage und geradezu ent-geistert erschrocken über Häme, Hass und eine fast ,gesellschaftsfähige Unmensch-lichkeit‘ nicht nur im Internet sollten wir in allen Kirchen neu an einem geist-reichen Friedensnetz mitknüpfen und uns an Gottes ,geistreichen Zuspruch und Anspruch‘ erinnern! Gegen neue Enge, gegen neue Ängste: der Heilige Geist bewegt und ermutigt bis heute Männer und Frauen, alt und jung, in allen Konfessionen, Nationen und über Grenzen hinweg, glaube ich – und manchmal bewegt er sogar Grenzen. „Wir haben mit allem gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten“ – ‚30 Jahre danach‘ werden wir das gerade in diesem Jahr bedenken. Und danken – für jenen begeisterten Anteil, den Kerzen und Gebete, fröhlich-hartnäckiger Glaube und geist-reich mutige Bekennt-nisse sogar an der Überwindung von Mauern hatten. Was wäre gewesen, wenn….? Was wäre gewesen, wenn nicht….? Aber jener „Geist vom Vater, den Jesus ausgegos-sen hat“, noch einmal Petrus - aber jener ‚wind of change‘ im Sinne Jesu‘ war wohl dabei. Ein Glaubensbekenntnis aus unserer Kirche, kurz nach dem Mauerfall formu-liert, drückt das so aus: „Wir glauben an Jesus Christus, den Gesandten der Liebe Gottes, von Maria geboren. Ein Mensch, der Kinder segnete, Frauen und Männer be-wegte, Leben heilte und Grenzen überwand. Er wurde gekreuzigt. In seinem Tod hat Gott die Macht des Bösen gebrochen und uns zur Liebe befreit. Mitten unter uns ist er gegenwärtig und ruft uns auf seinen Weg….“(EKKW 1993).                       

Fortsetzung folgt - und heute? Welche Wege sind heute gemeint? Was geht uns aktuell durchs Herz oder vielleicht auch an die Nieren – ich hab einige Un-geister ja schon an-gesprochen; wo und wie bewegt uns als Christen und Christinnen heute, woran wir glauben? „Was für ein Vertrauen“: wo trägt uns die Gewissheit, die uns mit der Taufe eigentlich doch grundlegend geschenkt ist – und wohin trägt sie uns in ganz anderen Zeiten? Damals an jenem ersten Pfingsten kannte die Begeisterung keine Grenzen! Ja: Gottes Be-geisterung lässt sich an Grenzen nicht abweisen oder zurückschicken, nicht an europäischen – sonst gäb’s uns gar nicht!, noch an irgendwelchen nationalen Schranken; nicht an persönlichen oder konfessionellen Beschränkungen oder anderen äußeren und inneren Barrikaden! „Denn euch und euren Kindern gilt diese Verhei-ßung, und allen, die fern sind, so viele der Herr unser Gott, herzurufen wird“ – noch einmal aus der Pfingstpredigt des Petrus: jene Verheißung galt, wirkt und ‚gildet‘ noch! Ermutigend in heutigen Zeiten und bei heutigen Zahlen, wenn oft offenbar ein so anderer Wind weht, mitunter sogar Gegenwind spürbar ist oder - vielleicht gefährli-cher noch - jene Flaute von kirchlichem Desinteresse, die sich immer mehr ausbreitet. Gesellschaftliche Klimaveränderungen, schleichend gefährlich und unterschätzt, nun ,plötzlich und unerwartet‘ zu spüren; der globale Klimawandel genauso: neue, eigent-lich altbekannte Gefahren für „unsere Schwester Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt mit Blumen und Kräutern“; berechtigte Sorgen um unsere Zukunft und nicht nur freitags, und dennoch: , „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2.Tim 1,7) – also verzage nicht, du Häuflein klein, auch wenn die große Welt sich anscheinend so sehr ändert! Verzage auch nicht, wenn sich beim kirchlichen Zusammenwachsen im-mer noch so wenig ändert; verzage auch nicht angesichts der eigenen „engen Grenzen, was mich beugt und lähmt, meine kurze Sicht“ – Gottes Begeisterung lässt sich auch davon nicht abschrecken! Ich glaube, das haben wohl nicht nur die Jünger und Jünge-rinnen beim ersten Pfingsten in Jerusalem so erlebt!

Aber manchmal muss man/frau sich daran erinnern – an Gottes liebevolle Macht noch in und hinter allem, an Gottes Frieden, viel höher als all unsere Vernunft; an Gottes Liebe, die durch nichts und niemanden tot zu kriegen ist! Ja: manchmal dürfen wir uns, unerwartet beschenkt, daran erinnern lassen – buchstäblich wunder-voll. Und mich, erinnern‘ und ermutigen solche schönen festlichen Vergewisserungen wie heute: für die kleinen, persönlichen Hoffnungen wie für die große Sehnsucht nach Gemein-schaft und Gerechtigkeit, nach Frieden und der Bewahrung der Schöpfung; „Weltfrie-den….!“ schmunzelt meine Freundin: um Gottes willen, ja! Und, Gott sei Dank, ja, wir sind doch damit nicht allein! Fortsetzung folgte – der Pfingstpredigt des Petrus da-mals; und ich vertraue darauf, dass Christen und Christinnen sich auch heute von Gottes belebendem, liebevollen Geist anstecken lassen, immer wieder neu! Ich schließe darum mit einem Glaubensbekenntnis, das Christen und Christinnen aus aller Welt fast 2000 Jahre nach Petrus‘ erster Pfingstpredigt in Seoul verfasst haben – ein paar Exemplare davon habe ich auch dabei:

„Ich glaube an Gott, der die Liebe ist und der die Erde allen Menschen geschenkt hat.
Ich glaube nicht an das Recht des Stärkeren,
an die Stärke der Waffen, an die Macht der Unterdrückung.
Ich glaube an Jesus Christus, der gekommen ist uns zu heilen,
und der uns aus allen tödlichen Abhängigkeiten befreit.
Ich glaube nicht, dass Kriege unvermeidlich sind, dass Frieden unerreichbar ist.
Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen,
die berufen ist, im Dienst aller Menschen zu stehen.
Ich glaube nicht, dass Leiden umsonst sein muss,
dass Gott die Zerstörung der Erde gewollt hat.
Ich glaube, dass Gott für die Welt eine Ordnung will,
die auf Gerechtigkeit und Liebe gegründet ist,
und dass alle Männer und Frauen gleichberechtigte Menschen sind.
Ich glaube an Gottes Verheißung,
Gerechtigkeit und Frieden für die ganze Menschheit zu errichten.
Ich glaube an Gottes Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde,
wo Gerechtigkeit und Frieden sich küssen.
Ich glaube an die Schönheit des Einfachen, an die Liebe mit offenen Händen,
an den Frieden auf Erden.“

Und an Gottes Geist, stärkend, begleitend, überraschend auch morgen: Fortsetzung folgt! UdF….